Blitzschnell war die Lesung mit Teresa Bücker ausverkauft, als wir sie Anfang des Sommers angekündigt hatten. Die Journalistin und Autorin hat ein Buch geschrieben, das uns im Buchladen nachhaltig beschäftigte und inspirierte. Und so war die Freude groß, dass wir Teresa Bücker nach Köln locken und ihr mit Ulrich Noller unseren Lieblingsmoderator an die Seite geben konnten. Am 13. September dann bildete sich eine lange Schlange vor dem KairosBlue im nahegelegenen Clouth-Quartier, wohin wir mit größeren Veranstaltungen ausweichen.
Wie ist in unserer Gesellschaft Zeit, wie sind Zeitkontingente verteilt?
Während Erwerbsarbeit ein Geldwert und damit Anerkennung beigemessen ist, ist das bei Carearbeit eher nicht der Fall. "Reiche können sich Zeit kaufen, weil die Zeit Ärmerer billig zu haben ist." Und während viele Menschen immer gehetzter durch die Tage eilen, wird durch Ratgeber und Tipps zum Zeitmanagement vermittelt, dass eine bessere Organisation das Problem löse. Macht man also schlicht etwas falsch? Zeitmanagement vermehre die Zeit nicht, so Bücker, Zeit würde nicht anders erlebt, sondern es gehe um Leistungssteigerung und Optimierung - also um noch mehr Druck. Das Problem liege wie bei vielen aktuellen Problemen nicht auf individueller, sondern auf struktureller Ebene.
Sehr einleuchtend ist, was Teresa Bücker schildert, wenn man die Antworten von Menschen in Umfragen betrachtet: so gut wie alle können sicher sagen, wie lange ein Arbeitstag ist und wie lange eine Arbeitswoche. Die Antworten werden jedoch unklar, wenn es nicht um Arbeit geht: andere Bereiche sind nicht quantifiziert und es gibt kein Pendant zu Arbeitsschutzgesetzen für Zeit abseits von geregelter Arbeit. Und so ist eine verhältnismäßig alte Einrichtung wie der 8-Stunden-Tag das Maß aller Dinge und von Innovationen nicht betroffen, sagt Bücker. Wie Zeit strukturiert ist, werde als gegeben wahrgenommen - während sich vieles drumherum wandelt. Es gilt also, Arbeit gerecht zu verteilen, was wiederum auch geschlechterübergreifend Gerechtigkeit schaffen würde.
Teresa Bücker entwirft in ihrem Buch nicht nur eine Utopie einer menschenfreundlicheren Zeitkultur und mehr Zeitgerechtigkeit. Sie führt auch bestens recherchierte Studien und Fakten aus Forschung und Wissenschaft an, die ihre Gedanken und Thesen untermauern.
Und wer nun neugierig geworden ist: Wir freuen uns auf 2024, denn wir haben mit Teresa Bücker bereits ein Wiedersehen in Nippes vereinbart. Wir werden das Thema in einem anderen Gesprächsformat aufgreifen und geben im Newsletter Bescheid, wann es soweit ist. Einstweilen legen wir Ihnen sehr ALLE_ZEIT ans Herz. Hören Sie sich auch das feine Gespräch mit Jagoda Marinic in der ARD Audiothek an.
Teresa Bücker, Alle_Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit (Ullstein Verlag, 21,99 €)