Ein Sektenselbstmord, ein uraltes ägyptisches Totengebet, ein Komponist mit beunruhigender Strahlkraft, eine Richterin, die ihn nicht aus den Augen lässt: Patricia Duncker entspinnt ein Netz vielschichtiger Beziehungen, in dem sie den Leser genussvoll zappeln lässt; sie schreibt einen Roman, in dem sich die Grenzen zwischen Ratio und Spiritualität, zwischen Recht und Unrecht unmerklich verschieben. Auf einer Lichtung im tiefsten Jura stoßen Jäger auf eine Gruppe Toter - neun Erwachsene, sieben Kinder, zu einem Halbkreis angeordnet, im Neujahrsschnee des Jahres 2000. Keine Anzeichen äußerer Gewalt. Ein Bild unheimlichen Friedens. Kommissar André Schweigen erkennt das Muster eines Sektenselbstmords, den er fünf Jahre zuvor untersucht hat, gemeinsam mit der Richterin Dominique Carpentier, die auch jetzt sofort zur Stelle ist. Ein altes Buch, in Leder gebunden und mysteriösem Code geschrieben, bringt sie auf die Spur von Friedrich Grosz, einem berühmten Komponisten und Dirigenten. In diesem charismatischen, unbeugsamen Mann findet die Richterin ihren Widerpart. Ein Kräftemessen beginnt, in dessen Verlauf sich Dominique immer tiefer in die Geheimnisse der Sekte verstrickt und die Grenzen ihrer eigenen moralischen Haltung erschüttert werden. Patricia Duncker hat einen Roman von ungeheurer Sogkraft geschrieben, der uns quer durch Europa führt, die mächtige Bergwelt der Alpen, die Weinberge des Languedoc, Montpellier, Lübeck, London. Verführerisch, doppelbödig, von großer literarischer Entschiedenheit - Patricia Dunckers vielleicht bester Roman. Die Leichen lagen in einem engen Halbkreis. Neun Erwachsene, teils freigelegt in der weichen Umspülung aus Schnee, ausgestreckt auf dem Rücken, zur Ruhe gekommen in einer stillen, liegenden Krümmung. Ihre Ellenbogen waren angewinkelt, die Hände erhoben, die Handflächen nach oben gekehrt, als hätten sie alle im Tanz eine komplexe Bewegung ausgeführt und wären mitten darin gestorben. Die Jäger traten nicht allzu nah hin, sondern hielten gebannt Abstand; sie waren den Tod ja gewohnt. Dies war allerdings ein Ereignis anderer Größenordnung. Nicht Scheu war es, was sie zurücktreten ließ, sondern der verstörende Anblick von Kinderleichen.