Eine bewegende Novelle, die – exakt komponiert – davon erzählt, wie das Gedächtnis das Individuum konstituiert. Doerr, der den Erinnerungsprozess als archäologische Arbeit, als Ausgrabung entwirft, hat ein kleines Meisterwerk geschaffen. Kein Wunder, dass er für seinen ebenfalls sehr lesenswerten Roman Alles Licht, das wir nicht sehen 2015 mit dem renommierten Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Seine Erzählung von Alma und dem beindruckenden Jungen Luvo gehört zu meinen Lektüre-Highlights im Frühjahr 2016.
Unser Leben, unsere Welt werden durch unsere Erinnerungen zusammengehalten. Was geschieht mit uns, wenn wir sie verlieren, und welche Möglichkeiten tun sich auf, wenn andere unsere Erinnerungen wiederbeleben können? Der 74-jährigen Alma Konachek, die in einem Vorort von Kapstadt lebt, widerfährt genau dies. Sie verliert ihr Gedächtnis. Unbekannte brechen mehrfach in ihr Haus ein, auf der Suche nach Hinweisen zu einem spektakulären Fossilienfund ihres plötzlich verstorbenen Mannes. Denn Alma hat eine Wand voller Fotos, Gedächtnisstützen, Speichermedien, in der sich irgendwo der fehlende Hinweis zu dem gesuchten Fossil befindet.
In dieser lichten, wunderschönen Novelle gelangt schließlich ein Junge in den Besitz des Geheimnisses dieser alten Frau und ihres Mannes, einer Episode aus ihrer Vergangenheit mit der Macht, ein Leben zum Guten zu wenden